Seriencheck (53)

Sommer, Sonne, Seriencheck. Diesmal geht es um die Nebensaison im US-Fernsehen, zu der stellenweise die gar schröcklichsten Reality-TV-Shows ausgepackt werden. Über die ich an dieser Stelle natürlich nicht berichten werde. Aber es gibt auch Tolles, Interessantes und Spannendes.

Anger Management (Season 1)


Charlie Sheen als ex-Baseballspieler und nun Aggressionsbewältigungstherapist, der die besten Anlagen hat, sein bester eigener Patient zu werden. Was er u.a. bei einem Treffen mit dem Freund seiner ex-Frau (Shawnee Smith, Becker) unter Beweis stellt. Also flugs eine Therapiesitzung mit einigen hoffnungslosen Fällen zusammengestellt und sich der eigenen Seelenklempnerin und Teilzeit-Liebhaberin Kate (Selma Blair, Hellboy) anvertraut. Was soll da schiefgehen?

Was hatte Mr. Sheen getönt, als er bei Two And A Half Men rausgeflogen war. Dass die Erfolgscomedy schon längst nicht mehr witzig sei, sondern nur noch öde - womit er zugegebenermaßen nicht ganz Unrecht hatte. Und dass er nun beim Kabelsender FX in einer viel besseren Show mitspielen werde, mit frischem, direkten Humor ohne Rücksicht auf Verluste. Okay, bei dem Teil hatte er zuvor wohl gerade das Näschen etwas zu tief im Kokaintöpfchen versenkt. Denn "Anger Management" ist eine ziemlich biedere, by the book-Comedy geworden, die man getrost auslassen darf. Ja, die Anfangsszene im Piloten, als Sheen scheinbar nochmal seinen Konflikt mit TAAHM-Chef Chuck Lorre ausfechtet, ist gelungen. Nein, danach kommt aber nichts mehr, was hervorsticht oder in Erinnerung bleibt. Charlie charmiert wie üblich, sucht und findet Sex oder verzweifelt statt an seinem Serienbruder Jon Cryer nun an seinen Therapiefreunden, von denen gleich mehrere nicht meine Art von Humor trafen. Nach der ersten Folge vergab ich noch ein "befriedigend", für die zwei nächsten Episoden ging es wertungsmäßig schon deutlich bergab, weshalb ich danach den Schlussstrich zog. Für beinharte Fans von Mr. Sheen und Zuschauern, die Two And A Half Men immer noch für großartig halten.

Sichtung nach 3 Episoden eingestellt
Wertungsschnitt: 3,66 Punkte (unterdurchschnittlich)

Falling Skies (Season 2)


Erde immer noch von Aliens besetzt, Städte kaputt, aber der Familie geht es den Umständen entsprechend ganz gut. Geschichtsprofessor Tom Mason kämpft aufs Neue mit der 2nd Mass, dem zweiten Militärregiment Massachusets, ums Überleben. Zum Ende der ersten Staffel wurde er vom großen Alienbösewicht zum Plausch eingeladen und ich befürchtete das Schlimmste. Wollten die Aliens nur die Kinder retten, weil die Menschheit die Erde vernichtete? Warum denkt denn keiner an die Kinder? Oder an die Teenies oder Familien, mit all ihren Beziehungsproblemen, die auch mitten im schönsten Endzeitszenario doch so wichtig sind?

Man mag sich fragen, weshalb ich bei der zweiten Staffel eingestiegen bin. Na, es ist halt Sommer, es kommt sonst nichts, ich mag Sci-Fi-Endzeitgedöns, vielleicht wird es ja besser. Und Obacht: die ersten Folgen sollten mir richtig gut gefallen. Endlich liegt der Fokus mehr auf dem Überlebenskampf, alles ist düsterer gezeichnet, die Kids nerven nicht, die Auseinandersetzung mit den Aliens ist allgegenwärtig und wird blutig geführt. Es gibt Opfer innerhalb der Gruppe, die man richtiggehend betrauert, aber auch Hoffnung in Form einer Stadt namens Charleston, in die sich zahlreiche Überlebende gerettet haben sollen. Leider, leider dreht die Show nach etwa der Hälfte wieder an den falschen Knöpfen. Der kleine Matt will sein Testament verfassen; Hal liebt Sarah, aber die hatte ja so ein schweres Leben und dann gibt es ja auch noch Karen, seine Ex-Verflossene, die aber nun ein voll durchtrieben böses Alienluder geworden ist. Aber tief im Inneren verspürt sie vielleicht doch noch etwas? Ach. Oder mag sie eher Hals Bruder Ben, den mit dem süßen Justin-Bieber-Look, der eine Alienrevolte der Skitters anführen will? Puh. Gegen Ende findet man Charleston, trifft auf Terry O'Quinn in einer wenig glorreichen Rolle als Bürgermeister, legt sich mit dem Militär der Stadt an, jemand wird natürlich noch schwanger, der böse Oberalien taucht kurz auf, sagt Hallo und zum krönenden Finale schreiben die Autoren einen Twist rein, der die enttäuschten, weil mehr auf SciFi als auf Familien-Soap hoffenden Zuschauer wie meine Wenigkeit auf die dritte Staffel heiß machen soll. Ich weiß nicht, ob das nochmal klappt.

Fazit: wegen der verpatzten zweiten Staffelhälfte nur leicht besser als die erste Season. Mit guten Ansätzen, die man letzten Endes aber nicht konsequent weiterverfolgt hat.

Gesamtwertung: 4,30 Punkte (durchschnittlich)

Futurama (Season 7)


Die bessere Show von Matt Groening geht mittlerweile in die siebte Staffel. Das Comeback im Sommer 2010 war von meiner Sternwarte aus vollends geglückt, die Show sprühte nur so vor Einfällen, Witz und Charme. 2012 wird der Fan von Fry, Leela & Co. bis dato erneut zufriedenstellend bedient, auch wenn sich ein paar recht deutlich schwache Episoden wie "Zap Dingbat" oder "The Butterjunk Effect" eingeschlichen haben. Dafür gibt es treffenden Spott auf Präsidentenwahlen ("Decision 3012"), eine gelungen epische 100. Jubiläumsfolge ("A Farewell to Arms") und der wohl seltsamste Blick auf das Oktoberfest im 30. Jahrhunderts ("Fun on a Bun"). Was leider fehlt, sind richtige Knallerepisoden, die mich die magischen 5,5 bzw. 6 Punkte ziehen lassen (bisher nur die erwähnte Jubiläumsepisode). Season 7 könnte wegen der Ausfälle und der Schwäche im Hochnotenbereich am Ende unterhalb der 5-Punkte-Grenze landen. Aber noch ist ja Zeit.

Aktueller Durchschnittswert: 4,60 Punkte (befriedigend)

Men At Work (Season 1)


Vier Kumpels arbeiten in einem Verlagshaus in New York. Einer davon wurde just von seiner Freundin verlassen. Keine Frage, dass die Männergruppe dem Sitzengelassenen mit Rat und Tat in Sachen neue Liebesbekanntschaften zur Seite steht. Obwohl keiner von ihnen selbst eine Ahnung von Beziehungen hat...

Erinnert sich noch wer an Steven Hyde? Den Hyde aus "That 70's Show"? Der Hardrock und Hasch konsumierende Lockenkopf, der mit Abstand der Coolste aus der Truppe von Teenagern aus Wisconsin war? So jedenfalls meine bescheidene Meinung. Was ist eigentlich aus dem geworden? Nun, aktuell spielt er unter seinem bürgerlichen Namen Danny Masterson in der neuen Buddy-Comedy "Men At Work" mit. Auf dem Kabelsender TBS, der schon Conan O'Brien eine neue Heimat gab. "How I Met Your Mother" ohne Mother und generell ohne Frauen in der Gruppe könnte die grobe Umschreibung lauten. Denn Barney Stinson, Ted Mosby und Marshall Eriksen würden prima in die Clique reinpassen.

Für mich ein unterschätztes Comedy-Kleinod dieser Sommersaison. Ich mag die vier Charaktere durch die Bank weg, sei es der eitle Sonnyboy, der Ladies Man, der geekige Schüchterne (der als einziger verheiratet ist) und Milo, der Verlassene. Danny Masterson - nun mit Vollbart - versprüht weiterhin maximale Lässigkeit trotz Planlosigkeit. Neue Sitcom-Brötchen werden keine gebacken, ein, zwei Episoden gehen nicht auf, vieles an Story wurde auch schon bei Friends und Co. verwurstet, aber das Ergebnis mundet. Zumal es mit "Toilet of Eden" den besten Wassertoiletten-Tribute seit Al Bundy's Folge mit der Original Ferguson zu bestaunen gibt. Auch sehr gelungen: das Finale mit dem Decathalynn, einem Zehnkampf voller Schmerz, Leidenschaft und Hingabe. Schlussendlich landet der Newcomer bei exakt der Punktwertung, die "How I Met Your Mother" in diesem Jahr bei mir einfahren konnte. Womit sich der Kreis zu Barney & Co. schließt. Ich freue mich auf die zweite Staffel.

Gesamtwertung: 4,75 Punkte (befriedigend)

Louie (Season 3)


Die Show, deren gelungene Folgen ich immer zu hoch bewerten werde. Weil ich den Komiker Louis C.K. schlicht grandios finde. Was der Mann in seinen Stand-Ups von sich gibt, ist teilweise schlimmst derb, aber auch furchtbar wahr und erschreckend intelligent. Nebenbei revolutioniert mit seiner Webseite den Vertrieb von Spoken Comedy-Werken. Seine Show bei FX ist und bleibt für mich aber eine Angelegenheit mit zwei Seiten. Manchmal brillant, manchmal unter reinen Comedy-Aspekten langweilig. Natürlich kann man jede Episode unter dem Aspekt des "Da zieht jemand sein Ding durch, bleibt unvorhersehbar, bietet neue Einblicke in das Beziehungsleben des New Yorkers im 21. Jahrhunderts, überrascht mit ruhigen Persönlichkeitsanalysen" über den grünen Klee loben. Die thematisch oft zweigeteilten Episoden erzählen Geschichten, die manchmal gar keinen lauthals zu belachenden Witz transportieren wollen. Aber wenn sie es tun, dann sind sie großartig. Am offensichtlichsten trifft dies in der aktuellen Season auf die Teilepisode "Never" zu, in der Louie einen kleinen Gast in sein Haus aufnimmt, der an krassem Verhalten nicht mehr zu toppen ist.

Update: zum Ende der Staffel serviert uns "Louie" noch einen richtig zu Herzen gehenden, aber auch herrlich komischen Dreiteiler namens "Late Show", für deren Finale ich ohne Zögern die Höchstwertung ziehe.  

Gesamtwert: 5,10 Punkte (gut)

Go On (Season 1)

Ryan King ist Sportmoderator bei einer Radiostation, hat dabei stets einen flotten Spruch auf den Lippen - und vor einem Monat die Liebe seines Lebens verloren. Weshalb seine Kollegen ihn statt zur Arbeit in eine Gruppentherapie schicken. Wo King unter den Beteiligten für Chaos, aber seltsamerweise auch gelungene Trauerbewältigung sorgt.

"I'm back!", ruft der ewige Chandler (Matthew Perry) zu Beginn der Pilotepisode und man freut sich als Zuschauer mit ihm. Ich gestehe offen und ehrlich, zu den Leuten zu gehören, die Mr. Perry endlich ein gelungenes Comedy-Comeback wünschen würden. Mit "Go On" hat er sich allerdings an ein diffiziles Projekt gewagt, denn die Show will Trauer, Verlustbewältigung und Comedy in einem Rutsch anpacken. So etwas funktionierte zuletzt bei manchen Episoden von "Scrubs". Aber durchgehend?

Ryan King gibt den aufgedrehten Sprücheklopfer, der wie ein Flummi mit voller Wucht auf die starre Gruppe der Trauernden prallt. Die daraus entstehenden Situationen und Komplikationen fand ich im Nachhinein gelungen. Im Nachhinein? Ja, ich musste mir die Folge zweimal anschauen, beim ersten Eindruck fand ich vor allem das "Wer ist die ärmste Sau in der Therapie?"-Ausscheidungsturnier etwas zu aufgesetzt. Trauern und Spaß dabei haben ist nun mal eine Kombination, die mir etwas schwer in die Humorzone gleitet. Insgesamt stellt der Pilot einen empfehlenswerten Auftakt der Show dar, die am 11. September (tolles Timing!) fortgeführt wird. Dann dürfte man erfahren, ob der Spagat zwischen den beiden Extremen Lachen und Weinen weiter gelingt. Sorgen habe ich, dass die US-Zuschauer sich vielleicht zu sehr an "Anger Management" erinnert fühlen und die neue NBC-Show ignorieren. Als Europäer prallen zudem Sportthemen wie US-Basketball oder US-Football souverän an mir ab, da würde ich also nicht unbedingt den Witzefokus drauf legen.

Ersteindruck: 5,0 Punkte (gut)

Im zweiten Teil der Sommersaison folgen demnächst:

Breaking Bad (Season 5)
The Newsroom (Season 1)
The Exes (Season 2)
Weeds (Season 8)

Kommentare

  1. Zu den Serien kann ich kaum etwas sagen. "Men at Work" wird aber definitiv vorgemerkt. Einzig bei "Go On" habe ich reingeschaut und kann deine Einschätzung nur unterstreichen. Bleibe vorerst auch dran.

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  2. Also ich finde Louie brilliant, und das gerade in den ruhigeren, teilweise unkomischen oder schon tragischen Momenten ...ich bin allerdings als Middle-Age-Man mit zwei Scheidungskindern auch genau die Zielgruppe. Ich habe selten eine Serie mit so vielen wahrhaftigen Momenten gesehen. Aber wahrscheinlich sitzt Louie CK mit der Serie wieder zwischen allen Stühlen, Emmys wirds jedenfalls keine geben.

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  3. Mir blieb eine Folge da sehr im Gedächtnis hängen, in der er sich ein neues Haus kaufen wollte. Und sich einfach weigerte, die immense Kaufsumme zu realisieren. (...but, Obama...). Da hatte er mich total auf seiner Seite. Ansonsten gibt es leider Momente, wo ich mich doch eher langweile. Wie die Folge mit Joan Rivers, die ich so schon nicht leiden kann.

    Emmy wäre cool (allein um der Rede willen), aber dran glauben tue ich auch nicht.

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  4. Also ich fand die gerade gelaufenen Folgen der Late-Show-Story mit das Bewegendste was ich in letzter Zeit im Fernsehen gesehen habe. Sicher ist das nicht wirklich lustig, aber es hatte eine Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit, die ich so nur selten im TV sehe. (...und ausserdem David Lynch)

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  5. Habe jetzt auch den Abschluss der Late-Show-Trilogie gesehen: wirklich großartig, hat sich von Folge zu Folge gesteigert. Und bei den Emmys ist es für Louis ja doch sehr gut gelaufen, hat mich gerade wegen des Stand-Up-Emmys (und der dahinter stehenden, sehr fairen digitalen Distribution) richtiggehend gefreut.

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